Fachkräfte sind nach wie vor Mangelware, vor allem wenn es darum geht, sie langfristig zu binden. Doch es geht nicht nur darum, gut qualifizierte Fachkräfte zu binden, sondern auch sie zu finden und sich bei der Auswahl richtig zu entscheiden. Bislang entscheiden Führungskräfte bei der Personalauswahl häufig nach dem Bauchgefühl oder dem ersten Eindruck – ob der Bewerber sympathisch wirkt oder man Gemeinsamkeiten bei sich entdeckt. Doch dieses Gefühl kann laut Studien hinderlich beim Urteilen sein. Denn was bringt es einem Unternehmen, wenn immer die gleichen Persönlichkeiten dort arbeiten?

Neue Algorithmen und Apps sowie Softwaretools können mittlerweile dabei unterstützen, die richtige Personalauswahl zu treffen. Aber auch im Bereich Personalentwicklung und Weiterbildung können digitale Lösungen vielversprechend die Produktivität steigern und Anreize für die Bindung des Mitarbeiters an das Unternehmen schaffen.

Das Unternehmen Unitive hat beispielsweise eine Software entwickelt, die möglichst neutral an die Personalsuche herangeht, um Vorurteilen und unbewusster Diskriminierung entgegen zu kommen. In den USA sind ebenfalls Lebensläufe mit der Angabe eines Fotos oder des Alters undenkbar. Auch will die Software Hochschulen aus den Lebensläufen streichen, da diese statistisch gesehen keine aussagekräftige Prognose über die berufliche Eignung oder Leistung geben.

Andere Unternehmen bestreiten ebenfalls neue Rekrutierungswege: Der Konzern AXA hat in seinen Bewerbungsprozess das Herunterladen von Spielen mit eingebaut, indem die Bewerber durch das Durchspielen eines Spiels ihr Können in den Bereichen Kreativität, Belastbarkeit oder gedanklicher Flexibilität unter Beweis stellen können. Zusätzlich werden dann noch Bewerbungsgespräche geführt. Dabei spielt es jedoch eine wichtige Rolle, dass das Spiel unabhängig vom Lebenslauf des Kandidaten bewertet wird – denn hier kommt es nicht darauf an, das Spiel mit einem Elite-Uni-Abschluss durchspielen zu können. Diese neue Art Bewerbungsprozesse zu führen bereitet nicht nur den potenziellen Kandidaten Spaß, sie kann auch hilfreich bei der Auswahl geeigneter Kandidaten sein. Die Zahlen geben ihnen Recht: Die Rekrutierungseffizienz und Produktivität hat sich erheblich gesteigert.

Das Start-Up Humanyze analysierte das Pausen- und Interaktionsverhalten von Call-Center Mitarbeitern. Eingangsproblem war eine hohe Fluktuation und geringe Produktivität der Mitarbeiter. Ein Sensor, der anonymisiert die Schritte der Mitarbeiter und ihre Gespräche auf Tonfall und Puls analysiert, sollte Licht ins Dunkle bringen. Das Ergebnis der Analyse zeigte, dass der Schichtplan eine gemeinsame Pause der Mitarbeiter verhinderte. Einsame Pausen und wenig Interaktion und Austausch führten zu Frust und damit auch zur Entfremdung vom Unternehmen. Eine andere Pausenregelung ließ die Produktivität innerhalb kurzer Zeit um 25% steigen und die Fluktuation um 50% sinken. Kosten dafür: 0.

Letztlich können all diese neuen Tools jedoch nur Abhilfe schaffen, wenn sie richtig eingesetzt werden, auf die Bewerber und Mitarbeiter anziehend und nicht abschrecken wirken und auch den Datenschutzrichtlinien konform sind. Andernfalls werden potenzielle Kandidaten sonst schnell misstrauisch und fühlen sich gleich durchleuchtet. Auch der Nutzen muss natürlich bedacht werden, denn sonst ist es nur eine teure Spielerei am Ende und bringt nichts für das Personalmanagement oder die Produktivität.