Dass die Verschiebung des Bewerbermarktes zu einem Engpass von Fachkräften führt, ist mittlerweile bekannt. Viele Unternehmen rüsten daher auf und schaffen Wohlfühloasen für ihre heiligen „Pflänzchen“. Damit einhergehend ist, dass die neue Art der Arbeit einen entscheidenden Einfluss darauf hat, ob Mitarbeiter im Unternehmen verbleiben oder sich erneut auf den Weg machen.

Es steht somit außer Frage, dass durch gute Führung ein entscheidender Wettbewerbsvorteil im War of Talents erbracht wird. Schon die renommierte und repräsentative Gallup-Studie hat gezeigt, dass Mitarbeiter einen zeitgemäßen Führungsstil vorziehen und dafür bessere Verdienstmöglichkeit hintenanstellen. Folglich ist das Thema Führung nicht nur eine Möglichkeit, sich am Markt zu differenzieren, sondern die Fluktuation, Leistungsfähigkeit sowie Qualität der Arbeit positiv zu beeinflussen.

Weiterhin stellten Analysen fest, dass Beschäftigte tolle Kolleginnen und Kollegen nicht nur wichtig finden, sondern dieser Umstand auch zufrieden macht. Eine tolle Kombination, die langfristig ans Unternehmen bindet.

Nun stellt sich die Frage, was unter tollen Kolleginnen und Kollegen einem zeitgemäßen Führungsstil verstanden wird und wie sie sich diese Faktoren charakterisieren. Um das herauszufinden, hilft die Befragung der eigenen Mitarbeiter. In einem uns bekannten Fall war das Ergebnis derart konkret, dass sich eine neue Frage aufdrängte: Wie finden wir genau diese Menschen, um sie ins Unternehmen zu holen?

Ein Unternehmen – zugegebenermaßen außerhalb des Food- bzw. Bäckereimarktes – konnte anhand der Mitarbeiterbefragung innerhalb einer Abteilung sehr detailliert ermitteln, welches Anforderungsprofil Mitarbeiter mitbringen sollten. Das Unternehmen, in diesem Fall ein Maschinenbauer, hat schließlich das Recruiting-Team um Mitarbeiter aus der Produktionsabteilung erweitert. Das Motto lautete: „Wir suchen unseren Kollegen“. Die Entscheidung, wer der zukünftige Teamkollege wird, trifft also nicht das Büro oder der Inhaber, sondern die Mitarbeiter. Die daraus resultierende Frage war, ob Produktionsmitarbeiter überhaupt die Kompetenzen haben, eine derart komplexe Entscheidung zu treffen und dabei alle notwendigen Facetten zu berücksichtigen. Schließlich werden Manager, die in der Regel diesen Part übernehmen, auf Auswahlgespräche geschult. Fazit: Sie können!

Tolle Idee, aber wie war die Umsetzung?

Wird ein Beschäftigter in den Entscheidungsprozess eingebunden, welcher Bewerber sein zukünftiger Kollege oder sogar seine zukünftige Führungskraft sein soll, wird von Team Mitarbeitersuche gesprochen. Bei dem Beispielunternehmen funktionierte das so: Das Recruiting-Team – bestehend aus den jeweiligen Führungskräften (Meister und Schichtleiter), einem Mitarbeiter des betreffenden Fertigungsbereichs (je zwischen 25 und 75 Mitarbeiter) und der Personalabteilung – führt die Bewerbungsgespräche mit den Kandidaten für eine offene Stelle. Am Ende entscheidet die gesamte Gruppe nach vorher festgelegten Entscheidungskriterien, ob eine Entscheidung für oder gegen den Bewerber ausfällt. Jedes Mitglied des Teams hat ein Vetorecht.

Die Vorteile dieses Verfahrens liegen auf der Hand:
  • Es entsteht ein fachlicher Mehrwert, wenn die Mitarbeiter in den Auswahl- und Entscheidungsprozess eingebunden werden. Sie kennen die Anforderungen ihres Arbeitsbereichs sehr genau und wissen, die richtigen fachlichen und persönlichen Fragen an die Kandidaten zu stellen, um Eignung beziehungsweise Teampassung sicherzustellen.
  • Die Einbindung der Mitarbeiter zahlt auf die Unternehmenskultur ein.

Dieser Mut, neue Wege zu beschreiten, beruht auf einem grundlegenden Führungsprinzip, das in diesem Fall wie folgt formuliert wurde: „Wir vertrauen in die Fähigkeiten und das Engagement der Mitarbeiter, die gemeinsamen Ziele zu erreichen.“ Somit wurde im Verlauf des Projekts aus leeren Phrasen eine konkrete Sache, die greifbar und spürbar ist.

Die Ergebnisse haben gezeigt, dass nach der Auwahl stattfindende „Schnuppertage“ deutlich besser durchgeführt werden, da die Vorauswahl der Kandidaten fair und unter Einbindung des Teams durchgeführt wurde. Durch die zunehmende Partizipation bekommen Mitarbeiter die Möglichkeit, ihr Umfeld aktiv beeinflussen zu können. Fehlerhafte Mitarbeiterentscheidungen drücken sich nicht in Ausgrenzung aus, sondern vielmehr versuchen die Kolleginnen und Kollegen noch stärker, den Neuen oder die Neue in das Team zu integrieren. Denn die Entscheidung haben sie teilweise mit getroffen und übernehmen die Verantwortung für das Ergebnis.

Der Prozess in 6 Schritten:
  1. Vorbereitung
    • Festlegung fachlicher (Auswahl-)Kriterien
    • Zusammenstellung des Recruiting-Teams (Vorgesetzter, ein Mitarbeiter sowie ein Personaler)
  2. Stellenausschreibung
    • Ausschreibung der Stelle durch die Personalabteilung
  3. Vorauswahl
    • Erstellung einer anonymisierten Bewerberliste (Werdegang, Erfahrung und Ausbildung) durch die Personalabteilung
    • Gleichwertige Behandlung der Kandidaten durch das Recruiting-Team
    • Erarbeitung einer Rangfolge der Kandidaten
  4. Briefing
    • Zusammenstellung persönlicher Anforderungen (Soft-Skills) durch das Recruiting-Team
    • Personalabteilung informiert über den Ablauf und trainiert Fragetechniken
  5. Interviewrunde
    • Dauer: jeweils 30 Minuten vor und nach der Schicht (gewertet als Arbeitszeit)
    • jedes Mitglied des Recruiting-Teams darf Fragen stellen
    • Nach dem Gespräch anonyme Bewertung durch alle Mitglieder
    • Zusammenfassung der Bewertungen durch die Personalabteilung
    • Moderation des Prozesses durch die Personalabteilung
  6. Auswahl und Entscheidung
    • Entscheidungsrunde mit gesondertem Termin (Herzstück des Prozesses)
    • Ergebnispräsentation durch die Personalabteilung
    • Demokratische Entscheidungsfindung auf Konsensbasis im Sinne eines Vetorechts

 

Ein ähnlicher Prozess wird derzeit auch für die Suche und Auswahl der eigenen Führungskraft durchgeführt. Gemäß dem Motto „Wir suchen unseren Boss selbst aus“ werden Managerposten inzwischen durch das zu führende Team mitentschieden. Ganz sicher ein Weg, um sich dem Ziel der zeitgemäßen Führung konkret anzunähern.

Aus unserer Sicht zwei Beispiele, die wir sehr gut auf die Foodbranche übertragen können. Sprechen Sie uns hierzu einfach an!