Die Techniken des systemischen Fragens stammen ursprünglich aus der Therapie und sollten Patienten dabei helfen, neue Sichtweisen auf ihre Krankheit und die Umwelt zu generieren. Zunehmend werden diese Techniken aber auch im Coaching und Führungskontext angewendet. Einige Techniken sollen anhand des Beispiels „Kollege XY hat wieder mal nur an sich selbst gedacht, dieser Egoist!“ hier kurz erläutert werden:

Wortorientierte Fragen

Bei dieser Technik geht es darum, die genaue Wortwahl zu hinterfragen. Was versteht das Gegenüber unter „Egoismus“? Bei dem Wort „dieser“ könnte gefragt werden, was den Kollegen von anderen Kollegen unterscheidet. Hierbei geht es also darum zu erfahren:

  • Warum ein bestimmtes Wort verwendet wird
  • Was mit diesem Wort verbunden wird
  • Was dadurch zum Ausdruck gebracht werden soll
  • Was möglicherweise auch verschwiegen oder verschleiert wird
  • Inwiefern vielleicht verallgemeinert wird
  • Was die Wahl des Wortes auch über den Sprecher und seine Persönlichkeit aussagt

Skalierende Fragen

Um den genauen Standpunkt des Mitarbeiters zu bestimmen, bieten sich skalierende Fragen an. Ein Beispiel hierfür wäre: Wie hoch ist deine Wut hinsichtlich des Verhaltens von Kollege XY auf einer Skala von 1 bis 10? Als Anschlussfrage kann noch folgen, woran dies genau festgemacht wird.

Auch metaphorische Fragen können aufschlussreich und zugleich amüsant sein. „Wie viel Grad beträgt die gefühlte Beziehungstemperatur zwischen dir und Kollege XY?“

Zirkuläre Fragen

Bei dieser Technik wird noch eine weitere Perspektive fiktiv hinzugezogen. Dadurch wird der Mitarbeiter angeregt, sich in andere Personen hineinzuversetzen und den Blickwinkel zu erweitern. Es soll das Gefühl entstehen, dass es noch andere Realitäten für die Situation gibt.

Beispielfragen dafür lauten:

  1. Was denkst du, wie ich dein Verhalten beurteile? (nomadische Form)
  2. Was denkst du, wie der Chef von XY das sieht? (dyadische Form)
  3. Was denkst du, wie ein anderer Kollege von XY das Verhältnis von XY und seinem Chef beurteilen würde? (triadische Form)

Zirkuläre Fragen sollten nur behutsam eingesetzt werden, da sie anspruchsvoll und auch ermüdend sein können sowie eine künstliche Situation herstellen.

Hypothetische Fragen

Hierbei geht es darum, eine fiktive neue Situation herzustellen und neue Möglichkeiten zu durchdenken. In einem „Was-wäre-wenn“-Szenario stellt man sich eine völlig andere Situation vor. Auf das obere Beispiel angewendet könnte gefragt werden: Stell dir vor, du hättest plötzlich ein gutes Verhältnis zu XY. Was könnte passiert sein?

Ausnahmefragen

Durch Ausnahmefragen soll der Gedanke angefochten werden, das Verhalten von XY sei nicht änderbar und statisch. Hierbei wird nach Situationen gefragt, in denen das Verhalten nicht aufgetreten ist – demnach nach der Ausnahme. Annahme dahinter ist, dass wenn ein Problem auch mal nicht aufgetreten ist, es sich nicht zwangsläufig in eine (negative) Richtung entwickeln muss.

Es wird dann gefragt: Erinnerst du dich an eine Ausnahme? Wann genau trat diese auf? Was könnte man tun, um diese Ausnahme zu wiederholen?

Verschlimmerungsfragen

Als letzten Ausweg, im Falle dass alle anderen Techniken nicht fruchten konnten, können Verschlimmerungsfragen hinzugezogen werden. Eine Beispielfrage könnte lauten:

Wer müsste was tun, damit sich das Verhältnis zwischen dir und XY verschlechtert?

Es geht hierbei primär darum aufzuzeigen, dass der Mitarbeiter nicht machtlos in dieser Situation ist und mit seinem Verhalten auch das Verhältnis zwischen ihr/ihm und XY beeinflussen kann.

 

Bei der Verwendung dieser Techniken ist stets auf deren Dosierung und den Zeitpunkt zu achten. Auf Mischformen der Techniken sollte verzichtet werden. Unterstützt werden sollte dies auch durch aktives Zuhören.

 

Wenn Sie weitere Fragen zu den Themen der Gesprächsführung haben, sprechen Sie uns gerne an.